Belgien: EU-Kartellrecht: Grenzen von Radiusklauseln für Vermieter von Verkaufsstellen

Hintergrund
Am 03.03.2015 hat das deutsche Bundeskartellamt die Verwendung bestimmter Radiusklauseln für wettbewerbswidrig erklärt. Der Beschluss richtete sich gegen die Value Retail Franconia GmbH („Franconia“), welche das Factory Outlet Center Wertheim Village („Wertheim Village“) betreibt.

Radiusklauseln verbieten Markenartikelherstellern, welche z.B. ein Geschäft in einem Einkaufszentrum betreiben, eine weitere Verkaufsstelle in einem gewissen Umkreis zu eröffnen. Bisher enthielten die Mietverträge von Franconia Radiusklauseln für Outlet-Geschäfte, wonach fast 100 Herstellern, die ein Lokal in Wertheim Village mieten, verboten wurde, weitere Outlet-Geschäfte in einem Radius von 150 km zu eröffnen.

Da die Fashion Outlet Grundbesitz GmbH & Co KG („FOG“) ein ähnliches Outlet Center in Montabaur errichtete, welches 147 km vom Wertheim Village entfernt ist, hatte FOG Schwierigkeiten, ihre Verkaufsflächen an Markenartikelhersteller zu vermieten, die an das Wettbewerbsverbot der Franconia vertraglich gebunden waren.

Wettbewerbsrechtliche Beurteilung
Das Bundeskartellamt ist der Auffassung, dass diese Radiusklauseln darauf abzielen, aktuelle sowie potentielle Wettbewerber von Wertheim Village zu beschränken bzw. eine Barriere für zukünftige Markteintritte darstellen. Darüber hinaus sei die Beschränkung der Mieter auch nicht zur Vertragsausführung notwendig und unverhältnismäßig.

Gleichzeitig hat das Bundeskartellamt jedoch bestätigt, dass eine solche Klausel, welche einen Radius von 50 km unterschreitet und auf bis zu höchstens fünf Jahre festgelegt ist, grundsätzlich nicht als wettbewerbswidrig zu bewerten ist.

Die Entscheidung des Bundeskartellamts betrifft hierbei auch jegliche Wettbewerbsverbote solcher Art bzw. Radiusklauseln, welche regelmäßig in standardisierten Mietverträgen von Betreibern von größeren Einkaufszentren verwendet werden. Dabei wird in der Regel mit dem Vermieter eines Lokals eine Beschränkung bzw. ein Wettbewerbsverbot hinsichtlich des Betriebs und der Errichtung weiterer Markenverkaufsstellen sowie des Vertriebs gleicher Markenartikel an andere Einzelhändler vereinbart.

Fortführung von Radiusklauseln in Mietverträgen
Obwohl das Bundeskartellamt in seiner Entscheidung dargelegt hat, dass ein regionales Wettbewerbsverbot für die Mieter von Wertheim Village wettbewerbsrechtlich unbedenklich ist, solange sich dieses auf einen Radius von bis zu 50 km beschränkt und nicht für länger als fünf Jahre vereinbart wird, kann nicht von einer geltungserhaltenden Reduktion für die derzeitigen Mietverträge der Franconia ausgegangen werden. Vielmehr sind diese im Einzelnen anzupassen. Die bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass eine geltungserhaltende Reduktion von wettbewerbswidrigen Vertragsklauseln nur ausschließlich dann anzuwenden ist, wenn eine Wettbewerbsklausel die zeitlichen Grenzen überschreitet, jedoch an sich nicht wettbewerbswidrig ist. Mithin führt jedoch ein Verstoß gegen die räumlichen Grenzen zur Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots. Weiter ist auch nicht davon auszugehen, dass der Mietvertrag im Ganzen als nichtig zu bewerten wäre, z.B. wegen Sittenwidrigkeit oder eines Verstoßes gegen Treu und Glauben bzw. wegen der Anwendung von wettbewerbswidrigen Vertragsklauseln. Da es sich hierbei um einen geschäftlichen Mietvertrag handelt, welchem grundsätzlich nichts entgegensteht und der hauptsächlich einen legitimen Zweck verfolgt, ist davon auszugehen, dass nur das vereinbarte Wettbewerbsverbot als nichtig zu betrachten wäre.

Schlussfolgerung
Der Beschluss des Bundeskartellamtes bestätigt somit erneut die grundsätzliche Anwendbarkeit von Wettbewerbsverboten, soweit diese gerechtfertigt und angemessen sind. Richten sich solche allerdings grundlos darauf, Wettbewerber vom Markt auszuschließen und höhere Quoten zu erzielen, stellen sie einen Verstoß gegen das deutsche Kartellrecht dar. In der Regel werden solche Verbote als Schutzklauseln verwendet, um grobe Verluste zu vermeiden oder Investitionen zu sichern. Wird jedoch festgestellt, dass eine solche Klausel wettbewerbswidrig ist, besteht das Risiko, dass der Vertrag erneut verhandelt werden muss. Weiter ist davon auszugehen, dass die wirtschaftliche Sicherheit, die aus einer solchen Vereinbarung resultiert, mit Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung, welche die Klausel für wettbewerbswidrig erklärt, zumindest bis zur Neuverhandlung des Vertrages entfällt, da eine geltungserhaltende Reduktion nur für zeitliche Grenzen besteht.

Es bleibt abzuwarten, wie das OLG Düsseldorf auf Grundlage der bereits eingereichten Beschwerde und dem Antrag auf aufschiebende Wirkung von Franconia entscheiden wird.

Autoren: Christina Hummer (Brüssel, Wien) & Heiko Hellwege (Osnabrück, Bukarest, Shanghai)