Österreich: Brüssel: Richtlinie für Schadensersatzklagen im Kartellrecht

Zweck und Umfang
Am 17.04.2014 wurde der Entwurf für eine neue Richtlinie über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union vom Europäischen Parlament in erster Lesung beschlossen. Mitgliedstaaten sind nun aufgerufen, ihre nationalen Vorschriften dementsprechend anzupassen.

Ziel dieser Richtlinien ist, die Ahndung von Kartellverstößen durch die Wettbewerbsbehörden sowie hierauf folgende Schadensersatzklagen zu koordinieren. Mitgliedstaaten sollen dafür sorgen, dass jeder Geschädigte den vollständigen Schadensersatz verlangen und erhalten kann. Der vollständige Ersatz des Schadens umfasst demnach (i) eingetretene Vermögenseinbußen, (ii) entgangenen Gewinn sowie (iii) die Zahlung von Zinsen. Ein Anspruch auf weitere immaterielle Schäden besteht nicht.

Offenlegung von Beweismitteln
Zudem ist die gerichtliche Anordnung zur Offenlegung relevanter Beweismittel durch den Beklagten oder der zuständigen Wettbewerbsbehörde möglich. Die Mitgliedstaaten sollen hierzu dafür sorgen, dass die angeordnete Offenlegung von Beweismitteln verhältnismäßig ist. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ist eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Unternehmens und den Interessen aller privaten Parteien und betroffenen Dritten vorzunehmen. Eine Anhörung des Beklagten ist hierfür erforderlich.

Die Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 vom 28.05.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen bleibt dabei dennoch unberührt.
Wird z.B. die Offenlegungsanordnung nicht befolgt oder verweigert, relevante Beweismittel vernichtet oder der Schutz vertraulicher Informationen verletzt, werden Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen aufzuerlegen. Beispielsweise können hierbei relevante Beweismittel als erbracht betrachtet werden, um somit Ansprüche und Einwände zurückzuweisen oder Parteien zur Kostentragung verpflichtet werden.

Begriffsbestimmungen
Beweismittel im Sinne dieser Richtlinien sind insbesondere Urkunden und sonstige Gegenstände, die Informationen enthalten. Ausgeschlossen werden hiervon Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen.
Geschädigter bzw. Anspruchsberechtigter ist jeder, der infolge einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht einen Schaden erlitten hat. Dies kann entweder ein unmittelbarer oder aber auch ein mittelbarer Abnehmer sein. Mittelbarer Abnehmer ist derjenige, der zwar ein Produkt eines Kartellteilnehmers erworben hat, dies jedoch über einen Dritten z.B. einen Zwischenhändler und nicht unmittelbar vom zuwiderhandelnden Unternehmen gekauft hat.

Verjährungsfrist
Der Entwurf sieht vor, dass die Verjährungsfrist nach Zuwiderhandlungsbeendigung an dem Tag beginnt, an dem der Geschädigte Kenntnis über (i) das wettbewerbswidrige Verhalten, (ii) den dadurch entstandenen Schaden sowie (iii) die Identität des Täters erlangt hat. Die Frist muss mindestens fünf Jahre betragen.
Die Verjährungsfrist wird gehemmt, wenn eine Behörde Untersuchungen oder ein Verfahren durchführt, auf die sich die Schadensersatzklage bezieht. In diesen Fällen endet die Hemmung frühestens zwei Jahre nachdem das Verfahren abgeschlossen wurde und die Entscheidung bestandskräftig geworden ist.

Gesamtschuldnerische Haftung gegenüber Geschädigten
Kartellteilnehmer bzw. Schädiger haften dem Geschädigten gegenüber grundsätzlich gesamtschuldnerisch, d.h., dass jeder einzelne Kartellteilnehmer für den durch die wettbewerbsrechtliche Zuwiderhandlung verursachten Schaden zum vollständigen Ersatz gegenüber dem Geschädigten verpflichtet ist.

Ausgenommen werden hiervon klein- und mittlere Unternehmen („KMU’s“), die die Zuwiderhandlung weder angeführt noch herbeigeführt haben und belegen können, dass deren Beteiligung an dem Gesamtschaden unter 5% liegt.
Auch Kronzeugen werden vor Schadensersatzklagen von unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern geschützt. Solche haften demnach nur, wenn der Geschädigte keinen vollständigen Schadensersatz von den anderen Teilnehmern verlangen kann.

Im Innenverhältnis zwischen den Kartellteilnehmern kann nachfolgend ein Ausgleichsbetrag verlangt werden. Die Höhe des Betrages berechnet sich anhand der relativen Verantwortung für den verursachten Schaden.

Schadensberechnung und Umfang
Der Entwurf dieser Richtlinien enthält allerdings keine Regelung hinsichtlich der Quantifizierung eines kartellrechtlichen Schadens. Mitgliedstaaten werden aufgefordert, dazu eigene Vorschriften festzulegen. Dabei muss bestimmt werden, welche Anforderungen der Geschädigte beim Nachweis des Schadens erfüllen bzw. nachweisen muss und welche Berechnungsmethoden hierzu verwendet werden können.

Autorin: Christina Hummer (Brüssel, Wien)