IV. Auslegung des chinesischen Obersten Volksgerichts zu Arbeitsrechtsstreitigkeiten

Das chinesische Oberste Volksgericht („SPC“) hat die IV. richterliche Auslegung zu arbeitsrechtlichen Streitigkeiten veröffentlicht. Bislang ungenaue Regelungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurden jetzt klarer definiert und deren Durchsetzung in der Praxis festgelegt. Die Anfang Februar in Kraft getretenen Regelungen behandeln u.a. die folgenden Themen:

  • Durchsetzung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots
  • Anhörung der Gewerkschaft bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses
  • Anwendung der Arbeitsgesetze auf ausländische Arbeitnehmer

Durchsetzung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes
Bisher sieht das chinesische Arbeitsvertragsgesetz in Artikel 23 und 24 zwar vor, dass Arbeitgeber mit Senior Managern und Technikern sowie anderen Angestellten, die einer Geheimhaltungspflicht unterliegen, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren können sowie dass Arbeitgeber für die Zeit des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung zahlen müssen. Genauere Regelungen enthält das Arbeitsvertragsgesetz jedoch nicht.

Die richterliche Auslegung sieht nun weitere Regelungen zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot vor und regelt deren Durchsetzung. Ist die Höhe der Entschädigungszahlung für die Zeit des Wettbewerbsverbots nicht im Arbeitsvertrag festgelegt, kann der Arbeitgeber die Einhaltung eines Wettbewerbsverbots nicht durchsetzen. Erfüllt der Arbeitnehmer trotz Fehlen einer solchen Klausel das Wettbewerbsverbot, kann er eine Entschädigung fordern. Die Höhe der Entschädigung liegt bei mindestens 30% seines durchschnittlichen Monatseinkommens der letzten zwölf Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Kommt jedoch der Arbeitgeber seiner Zahlung für mindestens drei Monate nicht nach, ist der Arbeitnehmer berechtigt, sich von dem Wettbewerbsverbot zu lösen.

Der Arbeitgeber kann seinerseits das Wettbewerbsverbot einseitig aufheben, sofern er dem Arbeitnehmer für weitere drei Monate die vereinbarte Entschädigung zahlt. Ferner stellt die richterliche Auslegung auch klar, dass der Arbeitgeber im Falle eines Vertragsbruchs durch den Arbeitnehmer auf Einhaltung des Wettbewerbsverbotes bestehen kann. Und zwar auch dann, wenn der Arbeitsnehmer bereits eine entsprechende Vertragsstrafe gezahlt hat.

Anhörung der Gewerkschaft
Artikel 43 des Arbeitsvertragsgesetzes besagt, dass ein Arbeitgeber im Falle einer Kündigung zunächst die Gewerkschaft anhören muss. Konsequenzen für ein Nichteinhalten regelt das Gesetz bisher jedoch nicht.

Die aktuellen Auslegungen des Gerichts bestätigen nun, dass vor einer Kündigung die Gewerkschaft anzuhören ist. Sollte dies nicht erfolgen, ist die Kündigung rechtswidrig und die Gerichte werden betroffenen Arbeitnehmern entsprechende Entschädigungen zusprechen. Dies setzt voraus, dass eine Gewerkschaft beim Arbeitgeber gegründet wurde.

Anwendung der Arbeitsgesetze auf ausländische Arbeitnehmer
Bislang war unklar, ob Ausländer, die für inländische Gesellschaften ohne Arbeitserlaubnis tätig sind, Arbeitnehmerrechte gemäß Arbeitsvertragsgesetz in Anspruch nehmen können.

Dies betrifft Ausländer, Staatenlose, Taiwanesen und Arbeitnehmer aus Hong Kong und Macau. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist für diese Fragestellung nicht relevant. Fehlt die Arbeitserlaubnis, so sind die Arbeitsgesetze nicht auf das Verhältnis zwischen ausländischem Arbeitnehmer und dem Unternehmen anwendbar. Stattdessen greifen hier die allgemeinen Regeln des chinesischen Vertragsgesetzes.

Fazit
Die jetzigen Ausführungen des Volksgerichts sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugleich veranlassen, entsprechende Regelungen und Unterlagen zu überprüfen und ggf. anzupassen, um so Rechtssicherheit für beide Partner zu schaffen.

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass unpräzise Wettbewerbsverbotsklauseln zugunsten der Arbeitnehmer ausgelegt werden. Arbeitgeber sollten daher ihre Arbeitsverträge, die Klauseln zum Wettbewerbsverbot enthalten, überprüfen und sicherstellen, dass die Klauseln u.a. folgende Regelungen enthalten: (i) Zeitraum des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, (ii) territoriale Bestimmung, und (iii) Entschädigungssumme in Höhe von mindestens 30 % des monatlichen Durchschnittseinkommens des Arbeitnehmers der letzten zwölf Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zudem können sich die Parteien auf eine Vertragsstrafe im Falle der Verletzung der Wettbewerbsverbotspflicht durch den Arbeitnehmer einigen.

Es ist wichtig, dass in China arbeitende Ausländer, Arbeitnehmer aus Taiwan, Hong Kong und Macau sicherstellen, dass ihre Arbeitgeber die benötigte Arbeitserlaubnis für sie beantragen. Fehlt eine derartige Arbeitserlaubnis, kann der Ausländer die Anwendung der Arbeitsgesetze nicht geltend machen.

Illegales Arbeiten und Aufenthalt in Chinabringen nicht nur Konsequenzen für den betroffenenAusländer sondern auch für den jeweiligenArbeitgeber mit sich. Nach neuem chinesischen Ein- und Ausreisegesetz können Behörden eine Geldstrafe gegen den Arbeitgeber, der illegal einen Ausländer einstellt, verhängen. Illegale

Ausländer müssen mit einer Geld-, Freiheitsstrafe und/oder Abschiebung rechnen. Der Artikel VERSCHÄRFTES EINWANDERUNGSGESETZ GEGEN ILLEGALE AUSLÄNDER IN CHINA fasst die im Aus- und Einreisegesetz vorgesehenen Sanktionen zusammen.

Autoren:
Raymond Kok (Shanghai, Osnabrück)
Pyn-An Sun
Svenja Kutnig (Shanghai, Wien)
Bernhard Heringhaus (Osnabrück, Bukarest, Shanghai)
Felix Bonstein